16. November 2007

Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs 2006

Der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs 2006 zeigt – vor allem bei den Agrarausgaben – einige Verbesserungen auf, doch sind nach wie vor beim überwiegenden Teil der EU-Ausgaben Recht- und Ordnungsmäßigkeitsfehler festzustellen, die auf Mängel in den internen Kontrollsystemen bei der Kommission und in den Mitgliedstaaten zurückzuführen sind

Luxemburg (agrar.de) – Der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs 2006 zeigt – vor allem bei den Agrarausgaben – einige Verbesserungen auf, doch sind nach wie vor beim überwiegenden Teil der EU-Ausgaben Recht- und Ordnungsmäßigkeitsfehler festzustellen, die auf Mängel in den internen Kontrollsystemen bei der Kommission und in den Mitgliedstaaten zurückzuführen sind.

Die Kommission hat beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Schwachstellen beim Risikomanagement für die EU-Finanzen zu beseitigen. Einige Änderungen machen sich bereits positiv bemerkbar, etwa in Form eines deutlichen Rückgangs der vom Hof geschätzten Gesamtfehlerquote bei den Vorgängen im Agrarbereich, die allerdings noch knapp über der Wesentlichkeitsschwelle liegt. Diese positive Entwicklung bestätigt die Wirksamkeit des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS) und der Maßnahmen zur Vereinfachung der Antrags- und Auszahlungsverfahren im Rahmen der neu eingeführten Betriebsprämienregelung.

Der konsolidierte Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2006 vermittelt in allen wesentlichen Punkten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Finanzlage der Gemeinschaften und der Ergebnisse des Jahres – mit Ausnahme einer Überbewertung der Abrechnungsverbindlichkeiten und der Vorfinanzierungen in der Vermögensübersicht. Die Kommission hat weitere Fortschritte bei der Umsetzung der periodengerechten Rechnungsführung erzielt, wobei allerdings weiterhin einige Schwachstellen zu beobachten sind.

Im Jahr 2006 leistete die EU Zahlungen im Gesamtbetrag von 106,6 Milliarden Euro.

Der Hof gibt erneut ein uneingeschränktes Prüfungsurteil zu den Vorgängen ab, die den Einnahmen, Mittelbindungen, Verwaltungsausgaben sowie – mit Ausnahme der Sapard-Ausgaben – den Ausgaben im Rahmen der Heranführungsstrategie zugrunde liegen. Außerdem wiesen die direkt von den Kommissionsdelegationen verwalteten Zahlungen in den externen Politikbereichen im Jahr 2006 eine geringe Fehlerquote auf.

Für den überwiegenden Teil der EU-Ausgaben gibt der Hof jedoch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit erneut ein negatives Prüfungsurteil ab. Dies betrifft hauptsächlich den nicht dem InVeKoS unterliegenden Teil der Agrarausgaben, die strukturpolitischen Maßnahmen, die internen Politikbereiche sowie einen erheblichen Teil der externen Politikbereiche. In diesen Bereichen wiesen die Zahlungen an die Endbegünstigten weiterhin eine wesentliche Fehlerquote auf, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Ferner ist der Hof der Ansicht, dass die zugrunde liegenden Vorgänge der Europäischen Entwicklungsfonds mit Ausnahme der von den Kommissionsdelegationen in den Empfängerstaaten angeordneten Zahlungen insgesamt gesehen rechtmäßig und ordnungsgemäß sind.

Der Präsident des ERH, Herr Hubert Weber, äußerte sich in der Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle gestern Abend wie folgt: ‚Als Ursachen für die Fehler in den zugrunde liegenden Vorgängen sind u. a. Fahrlässigkeit, unzulängliche Kenntnis der häufig komplexen Vorschriften sowie mutmaßliche Betrugsversuche zulasten des EU-Haushalts zu nennen. Außerdem sind im Bereich der nicht dem InVeKoS unterliegenden Agrarausgaben sowie bei den Ausgaben im strukturpolitischen Bereich bzw. in den internen Politikbereichen die Kontrollen der Zahlungsanträge, die überwiegend auf Angaben der Begünstigten beruhen, in vielen Fällen im Hinblick auf Anzahl und Abdeckung unzureichend und häufig auch qualitativ unzulänglich. Somit besteht sowohl in Bereichen mit geteilter Mittelbewirtschaftung als auch in Bereichen mit direkter Mittelbewirtschaftung Verbesserungsbedarf bei der Verwaltung und Kontrolle der Gemeinschaftsausgaben, wobei die letzte Verantwortung bei der Kommission liegt.‘

Im Agrarbereich – auf den im Jahr 2006 Haushaltsmittel in Höhe von 49,8 Milliarden Euro entfielen – stellte der Hof insgesamt einen deutlichen Rückgang der geschätzten Gesamtfehlerquote fest, die allerdings noch knapp über der Wesentlichkeitsschwelle liegt. Die Agrarausgaben sind durch verschiedene Arten von Vorgängen gekennzeichnet, die unterschiedlichen Risiken und Kontrollsystemen unterliegen. Bei ordnungsgemäßer Anwendung kann durch das InVeKoS, das sich auf rund 70 Prozent der gemeinschaftlichen Agrarausgaben bezieht, das Risiko vorschriftswidriger Ausgaben wirksam eingedämmt werden. Der Hof stellt fest, dass die Betriebsprämienregelung die Antrags- und Auszahlungsverfahren zwar vereinfacht, aber auch Nebeneffekte hat, wie etwa die Zuweisung von Ansprüchen an Landbesitzer, die nie zuvor eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben, was eine deutliche Umverteilung der EU-Beihilfe von den Betriebsinhabern hin zu den Landbesitzern zur Folge hat. Zu den neuen Empfängern von EU-Agrarbeihilfen gehören Eisenbahngesellschaften, Reitvereine oder Pferdezuchtbetriebe, Golf- oder Freizeitklubs sowie Kommunalverwaltungen.

Bei den Ausgaben für strukturpolitische Maßnahmen – hierauf entfielen im Jahr 2006 32,4 Milliarden Euro – ist die Lage gegenüber den Vorjahren praktisch unverändert. Der Hof stellte eine wesentliche Fehlerquote fest, die sich nach seinen Schätzungen auf mindestens 12 Prozent der Gesamtsumme der Erstattungen an Begünstigte belief. Die häufigsten Fehler bestanden darin, dass die Erstattung nicht förderfähiger Ausgaben beantragt wurde und keine Ausschreibungen durchgeführt wurden. Überdies fehlten Belegunterlagen zur Berechnung von Gemein- oder Personalkosten. Die Überwachungs- und Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten waren im Allgemeinen unwirksam oder nur bedingt wirksam, und ihre Funktionsweise wird von der Kommission nur in eingeschränktem Maße überwacht.

In den direkt von der Kommission verwalteten internen Politikbereichen – auf die im Jahr 2006 9,0 Milliarden Euro entfielen – stellte der Hof erneut eine wesentliche Fehlerquote hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge fest. Hauptgrund waren Erstattungen an Begünstigte, die überhöhte Angaben zu den Projektkosten geliefert hatten. Bei den Prüfungen des Hofes zeigte sich, dass die internen Kontrollsysteme nur teilweise zufriedenstellend waren.

Die Abwicklung der Ausgaben in den externen Politikbereichen – 5,2 Milliarden Euro im Jahr 2006 – war bezogen auf die von den Delegationen verwalteten und überprüften Vorgänge zufriedenstellend; dies gilt allerdings nicht für die Ausgabenabwicklung seitens der mit der Projektleitung an Ort und Stelle betrauten Durchführungseinrichtungen. Zu den Fehlern gehörten Erstattungsanträge für nicht erstattungsfähige Ausgaben und die Verletzung der Ausschreibungsregeln.

Im Bereich der Heranführungsstrategie – auf die im Jahr 2006 Haushaltsmittel in Höhe von 2,3 Milliarden Euro entfielen – stellte der Hof fest, dass die Zahlungen insgesamt gesehen rechtmäßig und ordnungsgemäß waren. In Bezug auf die Sapard-Vorgänge brachte die Prüfung des Hofes allerdings erneut erhebliche Fehler zutage.

Die Kommission hat in den vergangenen Jahren Maßnahmen zur Verstärkung der Wiedereinziehungen und zur Verbesserung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU getroffen. Wegen der komplexen Verfahren im Zusammenhang mit der geteilten Mittelverwaltung ist die Kommission hinsichtlich der Wiedereinziehung zu Unrecht ausgezahlter Mittel allerdings nach wie vor nicht zuverlässig über die jeweiligen Beträge und Empfänger und die finanziellen Auswirkungen auf den EU-Haushalt informiert.

ERH-Präsident Hubert Weber schloss mit den folgenden Worten:

‚Die Kommission sollte mit gutem Beispiel vorangehen und in Bezug auf die direkt verwalteten Ausgaben – interne und externe Politikbereiche – besonderes Augenmerk auf die Konzeption und das wirksame Funktionieren ihrer eigenen internen Kontrollsysteme richten. Dadurch würde sie den Mitgliedstaaten ein Vorbild und Anregungen für die Funktionsweise der Systeme im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung liefern.‘

„Grundvoraussetzung für eine wirksame Verwaltung der Haushaltsmittel der EU sind effiziente und zuverlässige interne Kontrollsysteme auf allen Verwaltungsebenen. Nach meiner Überzeugung haben die europäischen Bürger ein Recht darauf, dass die EU-Mittel in der gesamten Union ordnungsgemäß verwaltet und kontrolliert werden.“

Hintergrund

Der Europäische Rechnungshof ist zuständig für die externe Finanzkontrolle der Europäischen Union. Er ist ein unabhängiges Organ der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg.

Der Hof gibt alljährlich im November seine Jahresberichte heraus, die sich auf das vorangegangene Haushaltsjahr beziehen: Ein Jahresbericht betrifft den Gesamthaushaltsplan der Union, ein zweiter die Europäischen Entwicklungsfonds (außerhalb des Gesamthaushaltsplans finanzierte Entwicklungshilfe).

Der Gesamthaushaltsplan ist der wichtigste Haushaltsplan der Europäischen Union. Er umfasst die Einnahmen oder „Eigenmittel“ und die Ausgaben und ist in fünf Hauptbereiche untergliedert: Landwirtschaft, Strukturmaßnahmen, interne Politikbereiche einschließlich Forschung, externe Politikbereiche (Entwicklungshilfe) und Heranführungsstrategie. Die Verwaltungsausgaben der Union stellen einen sechsten Ausgabenbereich dar.

Die Jahresberichte enthalten insbesondere die Zuverlässigkeitserklärung des Hofes (Déclaration d’Assurance, DAS) und die zugehörigen Ausführungen. Dazu gehören auf der Grundlage des EG-Vertrags jährliche Schlussfolgerungen i) zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung und ii) zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge.

Im Rahmen des Prüfungsurteils zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung wird festgestellt, inwieweit die Jahresrechnung (Jahresabschlüsse) ein vollständiges und richtiges Bild der finanziellen Ergebnisse des Jahres und der Aktiva und Passiva am Jahresende vermittelt.

Im Rahmen des Prüfungsurteils zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge wird festgestellt, inwieweit die der Rechnungsführung zugrunde liegenden Einnahmen- und Ausgabenvorgänge – Zahlungen an Landwirte, lokale Behörden, Entwicklungshilfeprojekte – richtig berechnet wurden und mit den einschlägigen Vorschriften und Verordnungen im Einklang stehen.

Die Prüfungsurteile des Hofes stützen sich auf die im Zuge der Prüfungen des Hofes erlangten Prüfungsnachweise und sind entweder: i) uneingeschränkt, d. h., der Jahresabschluss ist zuverlässig bzw. die zugrunde liegenden Vorgänge sind in allen wesentlichen Punkten rechtmäßig und ordnungsgemäß; oder ii) negativ, d. h., der Jahresabschluss ist nicht zuverlässig bzw. die zugrunde liegenden Vorgänge sind nicht in allen wesentlichen Punkten rechtmäßig und ordnungsgemäß; oder aber iii) eingeschränkt, d. h., der Jahresabschluss ist zuverlässig bzw. die zugrunde liegenden Vorgänge sind in allen wesentlichen Punkten rechtmäßig und ordnungsgemäß außer in Bezug auf die Auswirkungen der Umstände, auf die sich die Einschränkung bezieht.

Fehler im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit entstehen, wenn die Begünstigten überhöhte Ausgaben melden oder die an die Gewährung der EU-Zuschüsse bzw. -Beihilfen geknüpften Verpflichtungen nicht erfüllen. Belege für eine wesentliche oder inakzeptabel hohe Fehlerquote veranlassen den Hof dazu, ein negatives Prüfungsurteil abzugeben.

Der Hof stützt seine Prüfungsurteile auf Analysen und Überprüfungen der Systeme sowie auf die Prüfung statistisch repräsentativer Stichproben auf der Ebene der zugrunde liegenden Vorgänge. Dazu gehört die direkte Erhebung von Belegen für die Richtigkeit und die Realität der Vorgänge auf der Ebene der Endbegünstigten.

Mit interner Kontrolle bezeichnet man die Verfahren und Prozesse (beispielsweise Überprüfungen), welche die Europäische Union im Rahmen der Verwaltung und Bewirtschaftung ihres Haushalts anwendet, um sicherzustellen, dass die Mittel korrekt und im Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften erhoben und verausgabt werden. Die Kontrollverfahren, welche die Vermeidung bzw. Aufdeckung und Berichtigung von Fehlern gewährleisten sollen, fallen in die Zuständigkeit der Kommission und im Falle der geteilten Verwaltung in die der Mitgliedstaaten bzw. Empfängerstaaten. Die Interne Revision ist Teil der internen Kontrolle und trägt dazu bei, dass die Systeme wirksam funktionieren.

Das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem InVeKoS ist das System, das die EU-Mitgliedstaaten bei bestimmten Aspekten der Agrarausgaben anwenden müssen, was gegenwärtig etwa 70 % der Agrarausgaben insgesamt betrifft. Die mit diesem System verbundenen Verpflichtungen sind verordnungsrechtlich geregelt. Dazu gehören die Führung von Datenbanken, die Identifizierung bzw. Kennzeichnung von Flächen und Tieren und die Durchführung koordinierter Überprüfungen. Die nicht durch das InVeKoS abgedeckten Ausgaben fallen unter andere Systeme.

Im Rahmen der Betriebsprämienregelung wird die Beihilfe von der Erzeugung entkoppelt, d. h., die Zahlungen an die Landwirte erfolgen nicht länger auf der Grundlage ihrer Erzeugnisse oder der Zahl der im Betrieb befindlichen Tiere. Die Ansprüche der Begünstigten beruhen entweder auf den Zahlungen, die sie in einem Bezugszeitraum erhalten haben (historisches Modell), oder auf den im ersten Jahr der Umsetzung bewirtschafteten Flächen (regionales Modell).

Links zum Thema EU und Landwirtscht.




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