Bundeszentraler Auftakt zum ‚Tag des Offenen Hofes‘ 2004
Horb-Altheim (agrar.de) – ‚Der ‚Tag des Offenen Hofes‘ mit seinen intensiven Dialogen zwischen Verbrauchern und Landwirten ist ein unschätzbarer aktiver Beitrag der deutschen Agrar- und Landwirtschaft, um gegenseitig Verständnis zu erreichen, gesellschaftliche Akzeptanz aufzubauen und Vertrauen zu schaffen. Nur so können Defizite abgebaut und das gute Image der Bauern und ihrer Familien erhalten werden‘. Dies erklärte der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL), Erik Jennewein, auf der bundeszentralen Auftaktveranstaltung zum ‚Tag des Offenen Hofes 2004‘ auf dem Betrieb der Familie Fassnacht im baden-württembergischen Horb-Altheim vor den Toren von Stuttgart.
Mit ihren offenen Höfen in diesen Wochen dokumentiert die Landwirtschaft in diesem Jahr, wie leistungsfähig und vernetzt sie mit anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbranchen sei. Die Bedeutung für Arbeitsmarkt und Investitionen, für Kulturlandschaft und die Gesellschaft auf dem Lande werde jedem Besucher und den Medien deutlich.
Jennewein kritisierte ebenso wie der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, den Preisdruck, der durch eine Liberalisierung ohne Grenzen des Welthandels entstehe und der vor allem mittelständische Unternehmen treffe, zu denen der größte Teil auch der landwirtschaftlichen Betriebe gehöre. In keinem Land Europas seien Lebensmittel mittlerweile so preiswert für die Verbraucher wie in Deutschland. Es müsse jedoch andererseits jedem klar sein, dass diese Wertevernichtung über Preissenkungen, die vor allem Discounter eingeschlagen hätten, Grenzen habe. Mit der Aktion ‚Lebensmittel sind mehr wert‘ mache der Berufsstand seit mehr als einem Jahr auf diese Missstände aufmerksam und betone dadurch, dass die von den Bauern in der Region produzierten Lebensmittel einen erheblichen Mehrwert hätten.
Für Sonnleitner ist das Netzwerk der Landwirtschaft mit anderen Wirtschaftsbranchen Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandes eines Landes. ‚Eine starke grüne Branche ist Eckpunkt unserer Volkswirtschaft‘, betonte Sonnleitner. Gerade in dem Bundesland, in dem Daimler-Chrysler zu Hause sei, müsse jedoch auch einmal selbstbewusst gesagt werden, dass die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft ein ähnlich hohes Bruttosozialprodukt in Deutschland erwirtschafte wie die Automobilindustrie. Bei einem Auto werde jedoch nur noch ein bestimmter Anteil in Deutschland produziert, bei Lebensmitteln aus deutschen Landen dagegen 100 Prozent. Ihre Leistungen könnten die Bauern und ihre Familien deshalb offensiv in die öffentliche Diskussion einbringen, was man auf den vom Berufsstand organisierten offenen Hoftagen deutschlandweit tue. Losgelöst von der aktuellen Tagespolitik zeige man dem Verbraucher und besonders der jungen Generation, dass die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche sei, in der junge Menschen immer ihre Chance hätten.
Zur aktuellen Umsetzung der EU-Agrarreform, über die der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat in den nächsten Wochen entscheiden wird, forderte Sonnleitner die Bundesländer auf, Strukturbrüche und Verwerfungen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu verhindern, die durch das Modell des Bundeslandwirtschaftsministeriums gegeben seien. Direktzahlungen für das wichtigste Produkt der deutschen Landwirtschaft, die Milch, müssten betriebsindividuell möglichst bis zum Jahre 2013 an die Produktion gebunden bleiben. In dieser Forderung gebe der DBV nicht nach.
Die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, Erika Lenz, zeigte den stetigen Dialog von Bäuerinnen und Verbrauchern auf. Botschafterinnen setzten sich für Produkte der heimischen Landwirtschaft an der Ladentheke, beim Verbraucher und in den Schulen ein. Der Landfrauenverband verhelfe über Qualifizierungsmaßnahmen wie zur Agrarbürofachfrau auf dem Lande gerade den Bäuerinnen zu neuen Perspektiven. Lenz kündigte eine Unterschriftenaktion des Landfrauenverbandes an, wonach Hauswirtschaft als Unterrichtsfach in den Schulen wieder eingeführt werden solle. Die Kinder müssten wieder den Stellenwert gesunder Ernährung, die Vorzüge des Kochens und einer gepflegten Esskultur lernen.
Der Minister für Ernährung und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg, Willi Stächele, sah in der Aktion ‚Tag des Offenen Hofes‘ eine ausgezeichnete Chance, der Bevölkerung mehr Wissen über landwirtschaftliches Denken und Handeln zu vermitteln. In Baden-Württemberg unterstütze man dies zusätzlich durch die Gläserne Produktion. Im Hinblick auf die EU-Agrarreform warnte er davor, damit vorhandene Umweltprogramme in den Bundesländern zu zerstören. In Baden-Württemberg habe man solche Programme erfolgreich für mehr Umwelt und Naturschutz eingeführt zur Erhaltung der Kulturlandschaft. Was die Landwirte überhaupt nicht gebrauchen könnten, seien weitere nationale Alleingänge und ein Draufsatteln von Umweltauflagen auf den EU-Standard.
Der Wirtschaftredakteur der Schwäbischen Zeitung, Dr. Werner Ludwig, ermunterte die Landwirte, den Verbraucherdialog zu intensiveren, da immer größere Teile der Bevölkerung nicht mehr wüssten, woher ihre Lebensmittel kämen und wie die Landwirte ihre Tiere halten oder die Äcker bewirtschaften würden. Zudem müsste der Wert der Lebensmittel aufgezeigt werden. ‚Wenn alle bei Aldi einkaufen, verdienen wir bald auch nur Aldi-Löhne‘, stellte Ludwig fest. Es gelte, das Bewusstsein für die Werthaltigkeit der Nahrungsmittel zu schärfen und der zunehmenden Entfremdung von den Lebensgrundlagen, wozu auch die Landwirtschaft gehöre, entgegen zu wirken. Dazu gehöre auch, dass falsche und überholte Bilder über die Landwirtschaft beseitigt würden, die Grundlage für hysterische Reaktionen der Verbraucher bei Problemen innerhalb der Lebensmittelkette seien. Dies abzustellen, hätten die Bauern durch permanente Öffentlichkeitsarbeit und Verbraucherinformation selbst in der Hand. Dazu gehöre auch, dass die Bauern positive Nachrichten und Leistungsbilanzen kommunizierten.
Am ‚Tag des Offenen Hofes‘, den der DBV, BDL und DLV in diesem Jahr zum siebten Mal seit 1992 veranstalten, beteiligen sich deutschlandweit über 800 Betriebe. Sie öffnen ihre Hoftore und präsentieren die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft mit einem vielfältigen Kultur- und Eventprogramm.
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