Edermünde (agrar.de) – ´’Unsere Milchviehbetriebe befinden sich in einer extremen Notlage, ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Sie kämpfen ums Überleben.‘ Mit diesen Worten beschrieb der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Heinz Christian Bär, heute im nordhessischen Edermünde die katastrophale Situation der Milcherzeuger.
Rund 500 hessische Landwirte unterstützt durch einige Kollegen aus Süd-Niedersachsen hatten heute Vormittag mit 100 Schleppern und Milchkühen vor dem Lidl-Auslieferungslager demonstriert, um ihren Unmut über die aggressive, wertevernichtende Preisdruckpolitik von Lidl kundzutun. Präsident Bär betonte, dass sich die Milchpreise seit 2001 im Sturzflug befänden und derzeit mit einem durchschnittlichen Auszahlungspreis von 27,7 Cent/kg Milch auf einem nicht kostendeckenenden Niveau angelangt seien. In den letzten drei Jahren hätten die 5.150 hessischen Milcherzeuger somit einen Gesamtverlust von rund 43 Millionen Euro hinnehmen müssen.
Discounter steigern Gewinne auf Kosten der Vorlieferanten
Da der Lebensmitteleinzelhandel, allen voran die Discounter mit Lidl an der Spitze der Bewegung, ihre aggressive, wertevernichtende Preisdruckpolitik weiter fortsetzten, drohten den Milcherzeugern im laufenden Jahr weitere Einkommensverluste. ‚Das bringt unsere Bauern auf die Barrikaden und gefährdet sie in ihrer Existenz‘, kritisierte der Bauernverbandspräsident. Die Discounter steigerten von Jahr zu Jahr ihre Umsätze und Gewinne auf Kosten ihrer Vorlieferanten, beispielsweise der Molkereien. Diese würden regelrecht erpresst und gegeneinander ausgespielt. Hierbei tue sich Lidl besonders hervor und unterbiete sogar die Preisabschlüsse von Aldi. Hinzu komme eine schlechte Zahlungsmoral gegenüber den Molkereien. Die Leidtragenden seien schließlich die Landwirte als schwächstes Glied in der Kette. So dürfe es nicht weitergehen, denn diese Entwicklung führe die Betriebe in den Ruin.
Resolution überreicht
Präsident Bär überreichte dem Leiter des Lidl-Logistikzentrums, Frank Scheithauer, eine Resolution, in der Lidl aufgefordert wird, die brutale Preisdruckpolitik gegenüber den Molkereien in den jetzt anstehenden Listungsgesprächen unverzüglich zu beenden, das Verramschen hochwertiger Milch- und Milchprodukte zu Dumpingpreisen zu unterlassen und eine faire Partnerschaft mit den Molkereien, die faire, kostendeckende Preise für Milcherzeuger ermöglicht, herzustellen. Scheithauer zeigte Verständnis für die schwierige Situation der Landwirte und sicherte zu, die Resolution an die Geschäftsführung seines Unternehmens weiterzuleiten. Er könne sich im übrigen vorstellen, die Verbraucherpreise für Milch zu erhöhen. Dies würde auch seinem Unternehmen Vorteile bringen. Angesichts der Übermacht des Hauptkonkurrenten Aldi, der die Preisführerschaft inne habe und den Markt klar beherrsche, sei diese Vorstellung jedoch nicht umsetzbar.
Junglandwirt Walter Müller, Stellvertretender Vorsitzender der Hessischen Landjugend, sagte, die Politik des Preisdrucks gefährde den gesamten ländlichen Raum. Ganze Landstriche, auch die Grünlandregionen hier in Nordhessen drohten aus der Produktion zu fallen. Dies habe fatale Folgen für die Sauerstoffproduktion, die Grundwasserneubildung und das Klima. Es sei unsinnig zu glauben, dass man in Deutschland heute im Zeitalter der Globalisierung gänzlich auf die heimische landwirtschaftliche Primärproduktion verzichten könne. Die Schmerzgrenze sei eindeutig überschritten.
Junglandwirt gibt Kühe ab
‚Unter den derzeitigen Bedingungen lohnt es sich für mich als Junglandwirt und Milchbauer nicht, meine Kühe noch weiter zu melken, da ich jeden Tag drauflege. Aus diesem Grund habe ich mich schweren Herzens dazu entschlossen, drei meiner Kühe abzugeben und fordere Lidl auf, bei diesem Dumpingpreis meine Kühe selbst zu melken‘, so der Junglandwirt aus Hofgeismar.
‚Im Schwalm-Eder-Kreis wird in fast 500 Betrieben Milchvieh gehalten. Die Bauern produzieren mit über 12.000 Milchkühen 70 Millionen kg Milch mit einem Produktionswert von mehr als 25 Millionen Euro‘, betonte Adolf Lux, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Schwalm-Eder. Im Kreisgebiet würden rund 16.000 ha Gründland von Rindern genutzt und gleichzeitig kostenlos durch die Landwirte gepflegt. Sollte aufgrund der dramatischen Erzeugerpreiseinbrüche eine rentable Bewirtschaftung dieser Flächen künftig nicht mehr möglich sein, müssten allein für die Erhaltung des jetzigen Landschaftsbildes über 6 Millionen Euro jährlich von der Bevölkerung des Schwalm-Eder-Kreises aufgebracht werden.
Links zum Thema Verbände.