30. März 2004

Natur- und Tierschutzverbände machen öffentlichen Druck für neues Bundesjagdgesetz

Themen: Archiv — info @ 14:03

Bonn (agrar.de) – Die Natur- und Umweltschutzverbände begrüßen die von Bundesministerin Renate Künast vorgestellten Überlegungen zur Reform des Bundesjagdgesetzes. ‚Die Zeit ist überreif für eine grundlegende Novelle des Bundesjagdgesetzes. Frau Künast ist jetzt am Zuge, in den nächsten Wochen einen Referentenentwurf vorzulegen,‘ betonte Hubert Weinzierl, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR). Er forderte die Jäger auf, nicht an überholten Traditionen festzuhalten, sondern die Jagd im Zeitgeist des 21. Jahrhunderts so fort zu entwickeln, dass sie zukunftsfähig bleibt. Mit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz und dem Eigenwert der Schöpfung in das Naturschutzgesetz habe sich ein Wertewandel vollzogen, den auch die Jäger anerkennen müssen.

Wie dringend notwendig die Reform des BJagdG ist, zeigen u.a. tierschutzwidrige Jagdpraktiken wie die Fallen- oder Beizjagd, die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren oder der massenhafte Abschuss von Haustieren jedes Jahr. ‚Vor dem Hintergrund, dass der Tierschutz als Staatsziel in der Verfassung verankert, ist es unverständlich und unerträglich, dass jagdrechtlich weiterhin der Tierschutz ausgeklammert wird oder allenfalls eine untergeordnete Rolle einnimmt‘, so Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Nach den Vorstellungen der Verbände ist die Jagdausübung nur dann zulässig, wenn die bejagten Tierarten in ihrem Bestand nicht gefährdet sind und wenn die getöteten Tiere einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden. Zudem darf von der praktischen Jagdausübung keine nennenswerte Störung der übrigen Tierwelt ausgeht.

Auch die punktuellen Bemühungen seitens der Jäger im Rahmen der derzeitigen Hegeverpflichtung, wie etwa das Anlegen von Wildwiesen, konnten den Rückgang vieler dem Jagdrecht unterliegenden Arten nicht stoppen. ‚Hier hilft nur eine weitreichende Kürzung der Liste der jagdbaren Arten mit den Ziel, die gefährdeten Arten unter den deutlich umfangreicheren Schutz des Naturschutzrechtes zu stellen‘, sagte NABU-Jagdexperte Gregor Beyer. Die Liste der jagdbaren Arten soll weitgehend auf den Schalenwildarten (Rothirsch, Damhirsch, Sikahirsch, Reh, Gemse, Mufflon,) beschränkt werden. Alle Vogelarten sind grundsätzlich von der Bejagung ausgenommen. Zudem würden Artenschutzprojekte auch für dem Jagdrecht unterliegende Arten entgegen den Behauptungen der Jäger schon heute überwiegend vom Naturschutz durchgeführt und finanziert. ‚Hegemaßnahmen‘ für Gänsesäger, Haubentaucher oder die Wildkatze von Jägern sind bis heute unbekannt. Auch müsste das Füttern einiger für die Jagd attraktiver Wildtiere endlich verboten werden, da sie das ökologische Gleichgewicht empfindlich stören und der Natur schaden würden.

In Nationalparken, Kernzonen von Biosphärenreservaten, EG-Vogelschutzgebieten und Ramsar-Gebieten soll die Jagdausübung ruhen. In Naturschutzgebieten und FFH-Gebieten sollen Eingriffe in den Bestand freilebender Tiere nur dann zulässig sein, wenn der Schutzzweck dies zwingend erfordert. Sie dürfen dort ausschließlich nach Maßgabe der Schutzziele erfolgen.

Für die Erhaltung und Wiederherstellung naturnaher Wälder kommt der Jagd eine besondere Verpflichtung zu. Die Abschussregelung für Schalenwild ist zu vereinfachen und ihre Bemessung anhand waldbaulicher und vegetationskundlicher Gutachten bundesweit verbindlich vorzuschreiben. ‚Die Nichterfüllung oder zu geringe Festsetzung des Schalenwildabschusses hat entscheidend zur Erhöhung der Wilddichten beigetragen‘, sagte Elisabeth Emmert, Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV). Die Verbiss- und Schälschäden in unseren Wäldern kosten den Steuerzahler jährlich mindestens 150 Millionen EUR, die finanziellen Folgekosten für Waldbesitzer und die Volkswirtschaft betragen ein vielfaches davon. Die Schutzzäune gegen Wildverbiss erreichen inzwischen eine Länge, die zweimal um den Äquator reichen würde. Die Verbände begrüßen es daher auch ausdrücklich, dass die Novelle des BJagdG im Zusammenhang mit der zeitgleich anstehenden Novellierung des BWaldG gesehen wird. Die dringend notwendigen Änderungen in der Jagd sind elementare Voraussetzung um zukünftig zur einer ‚Naturnahen Waldwirtschaft‘ auf ganzer Fläche zu gelangen.

Nach Auffassung der Verbände sind die jagdrechtlichen Rahmenbedingungen dem gewandelten Verhältnis des Menschen zum Mitgeschöpf Tier anzupassen. Die Jagdzeiten sind sinnvoll zu verkürzen und regionsspezifisch vor allem auf den Herbst und Frühwinter zu verlagern. Die Schonzeit zur Zeit der Jungenaufzucht ist für alles Wild konsequent einzuführen. Zur Paarungszeit hat ebenfalls Jagdruhe zu herrschen, wenn dem nicht zwingende Gründe einer effektiven Schalenwildbejagung entgegenstehen. Eine Verkürzung der Jagdzeiten trägt zur Verminderung der jagdbedingten Störungen und der effektiven Nutzung erfolgversprechender Intervalle bei. Störungsärmeres Jagen fördert die Vertrautheit mancher bejagter Arten und deren Beobachtbarkeit für die Bevölkerung (Nationalpark-Effekt).

Der Abschuss von so genannten wildernden Hunden oder Katzen ist grundsätzlich zu untersagen. Der Abschuss oder Fang von Haustieren erfolgt ganz überwiegend aus überholtem jagdlichen Konkurrenzdenken und entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung und steht zudem im krassen Widerspruch zum Gebot des Tierschutzes, dem als Verfassungsziel zukünftig größere Priorität einzuräumen ist.

Die Fallenjagd ist grundsätzlich zu verbieten. Begründete Ausnahmen sind nur entsprechend der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie zu genehmigen. Die Fütterung von Wild sowie die Verabreichung von Medikamenten und künstlichen Wirkstoffen sind zu untersagen. Die Fütterung ist eine wesentliche Ursache für überhöhte Schalenwildbestände, die nicht an die natürliche Lebensraumkapazität angepasst sind und im Ökosystem Wald beträchtliche Schäden verursacht.

Die Verbände fordern zudem ein Verbot der Beizjagd, wie dies bereits in fast der Hälfte aller Staaten Europas erfolgt ist sowie ein generelles Verbot bleihaltiger Munition zum Schutz von Wildtieren (Beispiel: vergiftete Seeadler), Verbrauchern (Wildbret) und Umwelt (Böden, Gewässer).

DNR, Tierschutzbund, NABU und ÖJV wollen mit Hilfe eines Internet-Portals den öffentlichen Druck auf die Bundesregierung erhöhen, damit die Novelle des Bundesjagdgesetzes jetzt verwirklicht wird.

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