02. Dezember 2003

Bioland bezieht Position zu Gentechnik

Themen: Archiv,Bienen — info @ 15:12

Gentechnik, Landwirtschaft und Lebensmittel: Wahlfreiheit und Koexistenz sichern

Mainz (agrar.de) – In einer Pressemitteilung stellt der Anbauverband Bioland seine Position zu Gentechnik dar:

1. Die politische Legitimation der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist durch die Wahlfreiheit für Landwirtschaft und KonsumentInnen bestimmt, auch zukünftig GVO-freie Lebensmittel erzeugen und konsumieren zu können. In dieser Auffassung besteht Einigkeit mit dem DBV, der deutschen Ernährungsindustrie sowie Umwelt- und Verbraucherverbänden. Gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene müssen diese Grundvoraussetzung sicher stellen. Entzieht sich die EU-Kommission ihrer Verantwortung, liegt diese in Händen der Mitgliedstaaten.

2. EU-weite Umfragen belegen, dass über 70 Prozent der Menschen keine GVO-Lebensmittel wünschen. Unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen stellt diese Aussage ein enormes Marktpotential für Erzeuger von Nicht-GVO-Lebensmitteln dar – und damit auch für den Biolandbau. Bioland nimmt für sich in Anspruch, von der Politik Regelungen zu fordern, die es langfristig ermöglichen, Lebensmittel ohne GVOs und Verunreinigungen durch GVO erzeugen zu können.

3. Wie der Anbau von GVOs praktisch geregelt werden und Koexistenz mit Nicht-GVO-Landwirtschaft gewährleistet werden kann, ist derzeit noch immer völlig unklar. Fragen über Fragen:

– Welche zusätzlichen Maßnahmen und Kosten kommen auf Saatguthersteller, Landwirte und die nachgelagerten Bereiche der Lebensmittelwirtschaft zu?

– Welche Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen sind von wem einzuhalten?

– Wer entschädigt wen bei eventuellen ökologischen und/oder ökonomischen Schäden durch ungewollte Verunreinigungen?

– Wer soll die unvermeidbaren Kosten für die Trennung und Kontrolle der verschiedenen Warenströme tragen?

– Wie vollständig wird eine solche Trennung in der landwirtschaftlichen Praxis tatsächlich möglich sein?

Obwohl die Freisetzung von GVOs EU-weit gesetzlich geregelt ist, gibt es bisher weder auf EU-Ebene noch in den Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen, die die gestellten Fragenkomplexe regeln. Weder Wahlfreiheit noch Rechtssicherheit noch Marktsicherheit ist für Nicht-GVO-Anwender bisher gewährleistet.

Bioland fordert klare gesetzlich vorgeschriebene Regelungen beim Anbau von GVO, die ebenso detailliert gestaltet sind wie die Anbauregeln für ökologisch wirtschaftende Betriebe durch die EU-Ökoverordnung.

4. Die EU-Kommission hat bisher lediglich Leitlinien erarbeitet, die Punkte enthalten, die die Mitgliedstaaten bei der Erstellung von Koexistenzregelungen berücksichtigen sollten. Danach sollen die Bäuerinnen und Bauern die ungewollte Ausbreitung durch Anbaumaßnahmen und verbindliche Absprachen über den Anbau von Pflanzen mit ihren Nachbarn verhindern. Laut einer Studie der EU-Kommission erhöhen sich die Produktionskosten für alle betroffenen Landwirte zwischen fünf und zehn Prozent – in Einzelfällen bis zu 40 Prozent. Bioland vertritt die Auffassung, dass diese Kosten nicht bei denen zu Buche schlagen dürfen, die GVOs ablehnen und damit nicht anbauen und nicht konsumieren.

5. Entscheidend für eine Koexistenz von GVO- und Nicht-GVO-Landwirtschaft ist die Reinheit des Saatgutes. Eine Richtlinie der EU-Kommission, die Grenzwerte für Saatgutverunreinigungen durch GVOs bis zu 0,7 Prozent zulassen will, würde zu einer schleichenden Verbreitung von GVOs führen, da Verunreinigungen des Saatgutes in dieser Größenordnung nicht gekennzeichnet werden müssten. Auch Biobetriebe würden nicht mehr wissen, was sie auf ihren Feldern aussäen. Bei einer Vermehrung von eigenem Saatgut könnte es darüber hinaus dazu kommen, dass sich die Verunreinigungen akkumulieren. Bei Haftungsfragen wäre nicht mehr zu klären, ob verunreinigtes Saatgut Ursache von Problemen ist oder der unsachgemäße Anbau von GVOs eines anderen Betriebes. Bioland fordert daher unmissverständlich ein klares Reinheitsgebot für Saatgut und Kennzeichnungsvorschriften im Falle von GVO-Verunreinigungen bei Saatgut ohne jegliche Grenzwerte.

6. Die besondere Betroffenheit ökologisch wirtschaftender Imkereibetriebe ist zu berücksichtigen. Bienen sind wichtige Pflanzenbestäuber. Die Hauptweidepflanzen für Bienen, Raps und Mais, sind GVO-frei zu halten.

Zusammenfassung:

– Das Reinheitsgebot für Saatgut muss sicher gestellt werden. Der Vorschlag der EU-Kommission, GVO-Verunreinigungsgrenzwerte gesetzlich festzulegen, wird kategorisch abgelehnt.

– Die Anwender und Hersteller gentechnischer Verfahren müssen nach dem Verursacherprinzip die Verantwortung für eventuell auftretende ökologische und wirtschaftliche Schäden übernehmen.

– Vor einem großflächigen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen muss eine Verordnung geschaffen werden. Diese muss die bis heute ungelösten Fragen zur Koexistenz regeln und Vorgaben für den Anbau, Warenfluss und die Kontrolle liefern.

– Alle Vermeidungskosten, z.B. durch getrennte Warenflüsse oder Kontroll- und Analysearbeiten, müssen von den GVO-Herstellern und GVO-Anwendern getragen werden. Es ist nicht akzeptabel, dass die Verbraucher diese Kosten durch höhere Preise für Nicht-GVO-Lebensmittel übernehmen.

– Gegenüber der Öffentlichkeit sind alle Kosten, die durch die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen entstehen, darzustellen.

Links zum Thema Bio-Landbau, Links zum Thema Verbände.




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