Schwerin (agrar.de) – Das Kabinett hat gestern den vom Umweltministerium vorgelegten Vorschlag zur Nachmeldung von FFH-Gebieten an die Europäische Union zur Kenntnis genommen und Umweltminister Prof. Dr. Wolfgang Methling gebeten, die Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Gleichzeitig verständigte man sich in der Kabinettsklausur darauf, die in der Liste aufgeführten Gebiete bis zum Abschluss des Verfahrens zur Nachmeldung als potenzielle FFH-Gebiete zu behandeln. Im Einvernehmen mit den betroffenen Ministerien sollen Managementpläne erstellt werden.
Der Vorschlag zur Nachmeldung von FFH-Gebieten, der jetzt 180 Trägern öffentlicher Belange zur Stellungnahme übergeben wird, umfasst eine Neumeldung von ca. 239.000 ha, davon 130.000 ha Landfläche und 109.000 ha Küstengewässer. Zusammen mit den Meldungen aus den Jahren 1998 und 1999 wird eine FFH-Gebietskulisse von insgesamt 248 Gebieten mit einer Fläche von ca. 421.000 Hektar zur Diskussion gestellt. Die Basis für die Erarbeitung der Nachmeldung bildete ein vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) im Auftrag des Umweltministeriums erarbeiteter Fachvorschlag. Im Ergebnis einer umfangreichen und tiefgründigen Abstimmung zwischen den Ministerien wurden bei 52 Gebieten Veränderungen vorgenommen (51 Reduzierungen, 9 Erweiterungen), 61 Gebiete bleiben mit ausdrücklichem Vorbehalt bis zum Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung und 30 Gebiete sind strittig.
‚Die Nachmeldung von FFH-Gebieten ist unsere unabweisbare Pflicht. 1999 hat Mecklenburg-Vorpommern nach einer langwierigen – von der EU allerdings nicht geforderten – Öffentlichkeitsbeteiligung 136 FFH-Gebiete mit einer Fläche von rund 182.000 ha über die Bundesregierung nach Brüssel gemeldet. Ich war damals davon überzeugt, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern eine naturschutzfachlich gute Meldung abgegeben hat, wohl wissend, dass zum Schluss nicht allein naturschutzfachliche Belange, so wie von der EU gefordert, die Auswahl bestimmt haben. Manches Zugeständnis von damals erweist sich heute als Überschreitung des Auswahlspielraumes‘, führte Umweltminister Methling aus.
Im November 2002 erfolgte auf einem wissenschaftlichen Seminar in Potsdam die Bewertung der deutschen Meldung durch die EU-Kommission. Das Urteil für Deutschland lautete: ungenügend. Deutschland muss Gebiete nachmelden. Davon betroffen sind alle Bundesländer und nicht nur Mecklenburg-Vorpommern!
Für Mecklenburg-Vorpommern hat die EU-Kommission Defizite bei 38 Lebensraumtypen und 22 Arten festgestellt, die zu korrigieren sind. Bei den Lebensraumtypen müssen z. B. Buchenwälder, kalkreiche Sümpfe, natürliche nährstoffreiche Seen sowie Sand- und Trockenrasen nachgemeldet werden, bei den Arten betrifft es u. a. verschiedene Fisch- und Fledermausarten. Im Gegensatz zu 1999 gibt es diesmal durch die EU-Kommission ganz klare Ansagen. Gemeldet werden müssen insbesondere:
• für prioritäre Lebensräume und Arten mindestens 80 Prozent der bekannten bzw. geschätzten Vorkommen,
• für seltene Lebensräume und Arten mindestens 60 Prozent der bekannten bzw. geschätzten Vorkommen.
Weitere wichtige EU-Vorgaben sind die möglichst gleichmäßige geografische Verteilung der Gebiete und die Herstellung der Kohärenz. Die Gebiete müssen miteinander verbunden sein, um das Wandern der Arten und damit den Genaustausch zu ermöglichen und ein durchgängiges europäisches Netz NATURA 2000 zu gewährleisten.
Minister Methling: ‚Auch wenn die Zahlen auf den ersten Blick recht hoch erscheinen, gibt es keinen Grund, in der geplanten FFH-Nachmeldung den Untergang des Abendlandes zu sehen. Und das Umweltministerium beabsichtigt schon gar nicht – wie oftmals wider besseres Wissen unterstellt wird – mehr als erforderlich zu melden oder vorsätzlich Nutzungskonflikte mit der Wirtschaft, der Landwirtschaft oder dem Tourismus zu konstruieren. Allerdings sind die Meldedefizite so groß, dass es zu einer umfangreichen Nachmeldung keine rechtssichere Alternative gibt. Wenn wir unserer Pflicht nicht nachkommen, wird über Deutschland ein Zwangsgeld verhängt, das auf die einzelnen Bundesländer umgelegt wird (bis zu 700.000 Euro täglich und rückwirkend bis zum 11.09. 2001) und es könnten von der EU Strukturfördermittel nicht ausgereicht werden. Was das für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bedeuten würde, muss ich wohl niemandem erläutern.‘
Es sei auch ein großer Irrtum zu glauben, mit der FFH-Meldung würde automatisch ein neues Naturschutzgebiet entstehen, so Methling. Mit der Meldung wird kein neuer nationaler Schutzstatus begründet, denn dafür sind gesonderte Rechtssetzungsverfahren notwendig. Für neue und geänderte Schutzgebietsverordnungen sind (mit Ausnahme der Naturschutzgebiete) die Kreise zuständig. 75 Prozent der neu gemeldeten Gebiete sind bereits geschützte Gebiete.
Falsch seien auch die immer wiederkehrenden Behauptungen, FFH verhindere Investitionen und Wirtschaftswachstum. Bisherige legale Nutzungen sind auch weiterhin möglich! Bestehende Bebauungspläne haben weiterhin Gültigkeit! Wenn neue Nutzungen (z. B. die Errichtung eines Gewerbegebietes) geplant sind, müssen Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. ‚Das aber auch erst dann, wenn festgestellt wurde, dass diese Vorhaben zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes führen können. Diese Prüfung muss innerhalb von 3 Wochen erfolgen. Kein anderes Behördenverfahren hat diese kurzen Bearbeitungsfristen. Der zusätzliche Prüfaufwand für Gebiete, die bereits Vogelschutzgebiete sind und FFH-Gebiete werden sollen, muss auch kein Grund zur Panikmache sein. Die Genehmigungen für den Auslaufkanal für das GuD-Kraftwerk in Lubmin, die Strandaufspülung in Lubmin oder die B-Pläne für den Hafen Vierow wurden unter Beachtung des europäischen Naturschutzrechts erteilt. Die Peene und der Greifswalder Bodden bleiben auch weiterhin und auf Dauer Bundeswasserstraßen und in ihrer Nutzung uneingeschränkt. Weder die Zufahrt zur Peenewerft in Wolgast, noch der Stadthafen Greifswald, noch der Industriehafen Ueckermünde sind Teil der FFH-Nachmeldung. Und dort wo bisher Boote fahren dürfen, Fischer fischen oder Touristen baden werden sie das auch nach der Meldung tun können.‘
Bis zum Herbst haben die 180 Träger öffentlicher Belange die Möglichkeit, die Gebietsvorschläge zu prüfen. Ende Oktober/Anfang November wird es ein bilaterales Gespräch mit der EU-Kommission geben. Vor diesem Gespräch wird der Umweltminister im Kabinett über Zwischenergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung berichten. Nach Überarbeitung der Vorschlagsliste im Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung wird das Kabinett bis Ende des Jahres 2003 über die endgültige FFH-Nachmeldung entscheiden.
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