Dresden (agrar.de) – ‚Das alte CMA-Prüfsiegel ist tot, es lebe das neue Prüfsiegel!?‘ fragt Jochen Dettmer, Generalsekretär des Deutschen Bauernbundes (DBB) im Mitteilungsblatt des Deutschen Bundesverbandes der Landwirte im Nebenberuf. Hier seine Analyse:
Seit Herbst 2001 gibt es ein neues altes Bündnis für die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Die CMA und der Deutsche Bauernverband haben gemeinsam mit Vertretern der Futtermittelerzeugung, der Fleischbranche und mit dem Lebensmitteleinzelhandel eine GeseIlschaft gegründet, die ein Prüfsiegel heraus gibt. Zunächst wurde mit Fleisch gestartet, aber andere Produktbereiche sollen folgen. Entstanden ist ‚Qualität & Sicherheit‘ (QS) infolge der BSE-Krise, um zukünftig auf Marktkrisen besser reagieren zu können.
Ist aber dieses QS-Prüfsiegel die richtige Antwort, um mehr Qualität und mehr Sicherheit zu bekommen? Bei der Lebensmittelsicherheit darf es keine unterschiedlichen Standards geben.
Die Lebensmittelsicherheit wird durch die entsprechenden Gesetze definiert. Die Einhaltung der Gesetze muss durch staatliche Stellen kontrolliert werden. Die private Wirtschaft kann diese Kontrolle nicht übernehmen oder ersetzen.
Über diese Standardqualität hinaus gibt es aber zahlreiche Produkte, die durch zusätzliche Qualitätseigenschaften ausgezeichnet sind. Dies können sein: traditionelle Parameter, wie z.B. Fettanteil, Magerfleischanteil, Wässrigkeit und neuere Parameter, wie z.B. Art der Erzeugung, ethische Fragen, regionale Herkunft.
Für diese Produkte, die über der Standardqualität liegen, muss es besondere Qualitätssicherungen geben, die dem Verbraucher auch garantieren, dass die Produkte der gewünschten Qualität entsprechen.
Demnach sind Qualitätssicherungssysteme sinnvoll und auch Voraussetzung für erfolgreiche Markenprodukte. Durch Produktdifferenzierung hervorgegangene Qualitätsprodukte bieten dem Verbraucher ein durch Eigenkontrolle organisiertes Qualitätssicherungssystem. Für diesen Bereich kann es sinnvoll sein, staatlicherseits die Kontrolle der Kontrolle vorzunehmen, bzw. einheitliche Sicherungssysteme zu fordern.
Das von privatwirtschaftlicher Seite entwickelte QS-Programm zielt jedoch darauf ab, für die gesamte Landwirtschaft, bzw. den größten Teil ein Qualitätssicherungssystem einzuführen. Vor diesem Hintergrund sollte das QS-Programm hinterfragt werden: Was bringt es dem Verbraucher? Was bringt es dem Bauern? Ist es überhaupt umsetzbar?
1. Was bringt es dem Verbraucher?
Lebensmittelsicherheit ist nicht teilbar. Lebensmittelsicherheit muss der Verbraucher auch ohne QS erwarten können. QS bringt aufgrund seiner landwirtschaftlichen Kriterien für den Verbraucher nur einen geringen Vorteil gegenüber dem gesetzlichen Standard. Auch die Prozesskontrolle bringt für den Verbraucher nur einen geringen Vorteil, da bekannte Marken und große Handelsunternehmen heute mittlerweile schon ihre eigene Prozesskontrolle ohne QS aufgebaut haben. Der Nutzen für die Verbraucher ist demnach gering.
2. Was bringt es dem Bauern?
Die Erreichung des Ziels der Marktstabilisierung bzw. der Markterweiterung muss erst noch bewiesen werden. Bisher haben sich nach Angaben von QS 30.000 Landwirte gemeldet, die etwa 10 Mio. QS-zertifizierte Schlachtschweine produzieren könnten. Das wären ca. 1/3 der deutschen Gesamtschweineproduktion.
Bezeichnend ist auch, dass Wal-Markt im September 2002 als erster LEH den Verkauf von QS-Fleisch in seinen bundesweit 95 Geschäften startete. Klar scheint aber zumindest zu sein, dass über QS keine höheren Preise am Markt zu realisieren sind. Dagegen ist mit erheblichen Kosten für die Zeichenvergabe und Kontrolle zu rechnen. Konkrete Zahlen sind bisher nicht bekannt geworden. Das QS-Prüfsiegel ist auch für Importware offen. Die dänische Branchenorganisation Danske Slagterier hat schon angekündigt, eine Äquivalenz-Vereinbarung zu Stande zu bringen um mit dänischem Schweinfleisch das QS-Prüfsiegel erhalten zu können. Die Werbung für QS übernimmt übrigens die CMA aus Zwangsabgaben deutscher Bauern. Der Nutzen für die deutschen Bauern ist also eher fraglich.
3. Ist es überhaupt umsetzbar?
Die Glaubwürdigkeit von QS hängt von der Kontrolle ab. Genau Aussagen über die Durchführung und Kosten der Kontrolle hat QS bisher nicht vorgelegt. Betrachtet man die Strukturen der Landwirtschaft und des vor- und nachgelagerten Bereichs (Zahlen siehe Anlage), scheint die Durchführung der Kontrolle sehr fragwürdig. Wenn nur 10 Prozent der teilnehmenden Betriebe kontrolliert würden, scheint der Umfang der Kontrolle noch erheblich, die Aussagefähigkeit jedoch eher gering. Eine genaue Bewertung der QS-Kontrolle kann aber erst bei Vorlage des genauen Kontrollablaufes erfolgen.
Fazit
Die erfolgreiche flächendeckende Einführung des QS-Systems als Qualitätssicherungssystem muss aus Sicht bäuerlicher Interessensvertretungen hinterfragt werden, zumal die Vorteile für Verbraucher und Bauern gering eingeschätzt werden müssen. Eine konsequente Förderung der Marktdifferenzierung und Markenprofilierung erscheint für Verbraucher und Bauern Erfolg versprechender.
Das QS-System birgt die Gefahr in sich, dass sich an den Strukturen des Lebensmittelhandels nichts ändert, aber über QS die Austauschbarkeit der Produkte zunimmt, die Landwirtschaft mit den Kosten belastet wird und eine Produktdifferenzierung mit der Chance zu höheren Preisen nicht stattfindet.
Anlage: Strukturzahlen der Landwirtschaft, vor- und nachgelagerter Bereich Kontrollaufgaben für:
Pflanzenzüchtung 100 Unternehmen, Pflanzenschutzindustrie 48 Unternehmen, Düngemittelindustrie 12 Unternehmen, Mischfutter-Hersteller 520 Unternehmen, Hersteller von Tierarzneimitteln und Futterzusatzstoffen 45 Unternehmen, Mahl- und Schälmühlen 500 Unternehmen, Ölmühlen 12 Betriebe, Stärke-Industrie 19 Betriebe, Zucker-Industrie 32 Betriebe, Genossenschaftlicher Agrarhandel 1066 Betriebe, Privater Agrarhandel 850 Unternehmen, Milchverarbeitung 295 Betriebe, Schlachtereien 277 Betriebe, Fleischverarbeiter 1.062 Betriebe.
In der Landwirtschaft gibt es ca. 420.000 Betriebe, davon 58 Prozent im Nebenerwerb. 26 Mio. Schweine stehen bei 173.000 Tierhaltern, 14 Mio. Rinder stehen bei 242.000 Tierhaltern.
Es gibt 70.000 Einzelhandelsgeschäfte, 30.000 Bäckereien und 30.000 Fleischereien.
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