10. April 2003

Urteil EuGH-Verfahren zur Nachbauregelung

Themen: Archiv — info @ 11:04

BDP: Nachbaugebührenerhebung auf europäischer Ebene bestätigt

Luxemburg/Bonn (agrar.de) – Die Richter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg haben heute ihr Urteil im Zusammenhang mit der Auskunftspflicht beim Nachbau von europäisch geschützten Pflanzensorten verkündet (C305/00, siehe unten). Darin wird von höchstrichterlicher Seite noch einmal bestätigt, dass Landwirte bei der Verwendung von Nachbausaatgut eine Gebühr an den Sortenschutzinhaber zu zahlen haben, so der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP).

Nur für den Fall, dass ein Landwirt seiner gesetzlichen Auskunftsverpflichtung nicht nachkommt, muss danach der Sortenschutzinhaber ein Indiz dafür vorbringen, dass der Landwirt sein Ernteerzeugnis, das er durch Anbau von Vermehrungsgut einer europäisch geschützten Sorte gewonnen hat, als Nachbausaatgut verwendet oder verwenden wird. Dazu reicht bereits der Nachweis des Kaufes von Zertifiziertem Saatgut. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar, weil jeder Landwirt vor der Nutzung von Nachbau Z-Saatgut gekauft haben muss.

Grundsätzlich hat der Europäische Gerichtshof heute in Luxemburg in seinem Urteil im Zusammenhang mit der Auskunftspflicht beim Nachbau von europäisch geschützten Pflanzensorten nochmals bestätigt, dass Landwirte, die Nachbau betreiben, gegenüber dem Sortenschutzinhaber auskunftspflichtig sind und Nachbaugebühren in angemessener Höhe zu entrichten haben.

Das EuGH-Urteil kann im Einzelfall ein Mehr an Bürokratie bedeuten, wenn ein Landwirt seiner gesetzlichen Auskunftspflicht nicht nachkommt. In solchen Fällen sind Informationen vorzulegen, die das Kaufverhalten eines Landwirtes offen legen. Damit verkehrt sich das Anliegen der Prozessgegner gegen die vermeintliche Ausforschung durch die Saatgut-Treuhandverwaltungs mbH (STV) genau ins Gegenteil. Diese Entwicklung wird bedauert, da das Nachbaugebührensystem mit seinen wirtschaftlichen Vorteilen für den Landwirt bisher von mehr als 95 Prozent der Landwirtschaft akzeptiert wird.

Es war aber gerade das Bemühen des BDP, insbesondere mit der neuen ‚Rahmenregelung Saat- und Pflanzgut‘, das gesamte Erhebungsverfahren zu vereinfachen und zu entbürokratisieren.

Der BDP weist ausdrücklich darauf hin, dass die bestehenden Gesetze, vor allem die Europäische Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, durch die EuGH-Entscheidung bestätigt wurden. Wer den Landwirten jetzt empfiehlt, künftig keine Angaben über den tatsächlich begangenen Nachbau zu machen, verstößt gegen geltende Gesetze und wer diese missachtet, begeht eine Sorten-schutzverletzung.

Der BDP appelliert an die Landwirte, mit korrekten Angaben auf die jüngsten Entwicklungen zu reagieren, künftig die Möglichkeiten der neuen Rahmenregelung Saat- und Pflanzgut auszuschöpfen und damit ihren Beitrag für den Züchtungsfortschritt zu leisten.

Das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-305/00: (Pressemitteilung des EuGH)

DER INHABER EINES GEMEINSCHAFTLICHEN SORTENSCHUTZES KANN VON EINEM LANDWIRT AUSKÜNFTE VERLANGEN, WENN ANHALTSPUNKTE DAFÜR VORLIEGEN, DASS DIESER VOM ‚LANDWIRTEPRIVILEG‘ GEBRAUCH GEMACHT HAT

Der Erwerb von Saatgut beim Inhaber ist ein derartiger Anhaltspunkt.

Eine Verordnung von 1994 führt eine einzige und ausschließliche Regelung des gemeinschaftlichen Schutzes für Pflanzensorten ein. Das Recht auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz steht der Person zu, die die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat. Die Verordnung sieht eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Rechte des Inhabers vor, die als ‚Landwirteprivileg‘ bezeichnet wird. Die Landwirte können in ihrem Betrieb das Ernteerzeugnis einer geschützten Sorte verwenden, ohne die Zustimmung des Sortenschutzinhabers einholen zu müssen. Diese Ausnahme wurde im öffentlichen Interesse der Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung geregelt.

Eine Verordnung von 1995 legt die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme fest und bestimmt, dass die Landwirte, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, dem Inhaber des Sortenschutzes eine Entschädigung zu zahlen haben. Diese Verordnung regelt im Übrigen die Auskunftspflicht des Landwirts, der dem Sortenschutzinhaber bestimmte Informationen zu geben hat.

Herr Schulin, ein deutscher Landwirt, weigerte sich, der Saatgut Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH (die von den Sortenschutzinhabern ermächtigt worden ist, ihre Vergütungsansprüche geltend zu machen) Auskünfte zu erteilen und ihr Angaben darüber zu machen, ob er in der Vegetationsperiode 1997/98 vom Landwirteprivileg Gebrauch gemacht hat.

Er wurde vom Landgericht Frankfurt am Main zur Erteilung der verlangten Auskünfte verurteilt. Das im letzten Rechtszug angerufene Oberlandesgericht Frankfurt am Main fragt den Gerichtshof, ob der Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes von jedem beliebigen Landwirt Auskünfte verlangen kann, um von ihm die Zahlung der für die Inanspruchnahme des Landwirteprivilegs geschuldeten Vergütung verlangen zu können, auch wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass er die Pflanzensorte in seinem Betrieb verwendet hat.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass sich aus den anwendbaren Bestimmungen der Verordnung von 1994 und ihrer Systematik ergibt, dass sie nicht alle Landwirte erfassen. Er stellt weiter fest, dass eine Auslegung dieser Verordnung, wonach alle Landwirte allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu diesem Berufsstand – selbst diejenigen, die niemals Vermehrungsgut einer geschützten Pflanzensorte angebaut haben – den Sortenschutzinhabern auf entsprechende Aufforderung relevante Informationen zu geben hätten, außer Verhältnis zum Ziel des Schutzes des jeweiligen legitimen Interesses des Pflanzenzüchters und des Landwirts stehen würde.

Da es aber zum einen für den Sortenschutzinhaber schwierig ist, seinen Auskunftsanspruch durchzusetzen (in der Praxis ermöglicht die Untersuchung einer Pflanze nicht die Feststellung, ob sie durch Verwendung des Ernteerzeugnisses oder durch den Erwerb von Saatgut gewonnen wurde), und da zum anderen die jeweiligen legitimen Interessen des Pflanzenzüchters und des Landwirts geschützt werden müssen, muss der Sortenschutzinhaber berechtigt sein, von einem Landwirt Auskünfte zu verlangen, sobald er über einen Anhaltspunkt dafür verfügt, dass dieser vom ‚Landwirteprivileg‘ Gebrauch gemacht hat.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Erwerb von Saatgut ein solcher Anhaltspunkt ist.‘

Links zum Thema Nachbau und Sortenschutz.




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