03. April 2003

Grüne Gentechnik: Wahlfreiheit zur Beruhigung

Themen: Gentechnik,Umwelt — info @ 12:04

Renate Künast gerät zunehmend in ein Dilemma

München (agrar.de) – Gentechnik und Agrarwende – passt das zusammen? Obwohl sich Renate Künast in dieser Frage nach wie vor optimistisch gibt, dürften ihre Nerven blank liegen, urteilt Tamás Nagy in der April-Ausgabe von punkt.um, dem Informationsdienst für Umwelt und Nachhaltigkeit im ökom Verlag.

Jüngst verkündete die Verbraucherschutzministerin, dass schon in diesem Jahr gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa zugelassen werden könnten.

Der Grund: Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass das Zulassungsmoratorium in der EU unaufhaltsam bröckelt. Die Voraussetzung dafür schuf sich die Staatengemeinschaft selbst, indem sie den Umgang mit gentechnisch veränderten Futter- und Nahrungsmitteln neu regelte. Künast gerät damit in eine Zwickmühle: Einerseits will sie den VerbraucherInnen gentechnikfreie Produkte garantieren, andererseits ist sie für den Einsatz der Grünen Gentechnik hierzulande verantwortlich. In Zukunft wird ihr Ministerium darüber entscheiden, ob Freisetzungsversuche und gentechnisch veränderte Pflanzen im Einzelfall zugelassen werden. Auch verfügt Künast über ein ‚Initiativrecht‘ mit dem sie das alte Gentechnikgesetz erneuert und die EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzt.

Da sie die Zeichen der Zeit erkannt hat, pocht die Ministerin mehr denn je auf die Wahlfreiheit von Landwirt und VerbraucherInnen. Doch lässt sich diese tatsächlich mit den neuen Regelungen garantieren? Um Lebensmittel von Gentechnik frei zu halten, müssen zunächst die Bedingungen auf dem Acker stimmen. Die Koexistenz von gentechnischer, konventioneller und biologischer Landwirtschaft ist jedoch nach wie vor ungeregelt. Während die EU-Kennzeichnungsverordnung für gentechnisch veränderte Bestandteile in Lebens- und Futtermitteln immer konkretere Formen annimmt, bleibt die Frage der Saatgut-Verunreinigung unangetastet.

Bislang liegt lediglich ein Vorschlag der EU-Kommission vor. Er beinhaltet einen je nach Pflanzenart gestaffelten Schwellenwert von 0,3 bis 0,7 Prozent Gentechnik-Anteil im Saatgut. Erst wenn diese Schwellenwerte überschritten würden, wären die jeweiligen Saatgut-Partien zu kennzeichnen. Die Bauern wüssten daher künftig nicht einmal, ob und welche gentechnisch veränderten Organismen sich auf ihrem Acker und in ihren Produkten befinden. Auf jedem Hektar Rapsfeld könnten auf diese Weise 2.000 genmanipulierte Pflanzen stehen und sich dann ’natürlich‘ ausbreiten – indem sie gentechnikfreie Pfanzen bestäuben. Zudem wären die festgelegten Schwellenwerte nur bei hohem technologischen und finanziellen Aufwand realisierbar. Denn Verunreinigungen sind nicht nur während des Anbaus möglich, sondern auch bei Saatguterzeugung, Ernte, Lagerung, Transport und Verarbeitung. Wer für die technologisch getrennten Wege sowie die gentechnische Verschmutzung aufkommen soll, ist bislang ungeklärt.

Renate Künast weiß um diese Probleme. Und darum, wie schnell die deutsche Landwirtschaft von ihnen ereilt werden kann. Dass der Versuch, Gentechnikfreiheit zu garantieren, viel Geld verschlingt, ist sicher. Doch ob sie sich auch gewährleisten lässt, ist zu bezweifeln. Solange die Ministerin jedoch den Verbraucher in Sicherheit wiegen kann, ist die Welt der Agrarwende wohl in Ordnung. Im Zweifel wirkt eine Prise vorgegaukelter Wahlfreiheit als Beruhigungspille, urteilt Tamás Nagy.

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