Rheinbach/Hamm (agrar.de) – Als die größten Agrarproduzenten Europas können Deutschland und Frankreich die entscheidenden Motoren für die konsequente Reform der vielfach gescheiterten europäischen Agrarpolitik werden. Diese These untermauern jetzt die Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit einer Studie, welche die ökologischen, ökonomischen und sozialen Seiten der Agrarpolitik gleichermaßen analysiert und bewertet.
Die Studie mit dem Titel ‚Umsetzung der Agenda 2000 in Frankreich‘ zeige, dass Frankreich in einigen Bereichen die vorhandenen Gestaltungsspielräume der Agenda 2000 wesentlich stärker und viel früher im Sinne der bäuerlichen Betriebe und der Umwelt genutzt habe als Deutschland und alle anderen Länder in der EU, so die Initiatoren. Während Deutschland erst im Jahr 2003 als viertes Land in der EU die sogenannte Modulation der Prämien (bei der Modulation werden die allgemeinen Tier- und Flächenprämien aus Brüssel pro Betrieb gekürzt und die einbehaltenen Mittel für gezielte Förderprogramme, u.a. Agrarumweltprogramme, umgewidmet) einführt, wendet Frankreich dieses Instrument zur sozialen und ökologischen Anbindung der EU-Zahlungen schon seit 2000 an. Die Studie beschreibt ausführlich, wie die sogenannte Modulation in Frankreich funktioniert. Im Unterschied zu Deutschland wird in Frankreich bei der Prämienberechnung für die Landwirtschaft auch berücksichtigt, wie rationalisiert ein Betrieb ist bzw. wie viele Arbeitskräfte er beschäftigt.
Bei der letzten Reform der EU-Agrarpolitik habe sich Frankreich dafür eingesetzt, die Brüsseler Zahlungen EU-weit an soziale und Umwelt-Kriterien zu binden. Dagegen habe sich Deutschland zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten bei den Berliner Beschlüssen im März 1999 zur Agenda 2000 strikt gegen diese Qualifizierung gewehrt, betonen Euronatur und die AbL. Im Ergebnis ist die soziale und ökologische Qualifizierung der Zahlungen (‚Modulation‘ und ‚Cross Compliance‘) in das nationale Belieben der einzelnen EU-Staaten gestellt worden.
‚Mit der geänderten agrarpolitischen Situation in Deutschland nach der BSE-Krise haben sich auch die Kräfteverhältnisse in Europa geändert‘, so Lutz Ribbe, Umweltpolitischer Direktor bei Euronatur. ‚Wir sehen, dass Deutschland mit der jetzigen Politik bei der nächsten Reform nicht mehr im Bremserhäuschen sitzen wird, sondern mit Frankreich zum Reform-Motor werden kann‘, ergänzt der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Erste Hinweise für ihren Reformwillen könnten die Länder bei der bevorstehenden Halbzeitbilanz der Agenda 2000 (‚mid-term-review‘) geben. Das Papier der Bundesregierung deute schon in die richtige Richtung, so die Verbandsvertreter.
Gleichzeitig wird aber mit großer Sorge betrachtet, wie diese ersten richtigen Schritte hin zu einer notwendigen Reform der Agrarpolitik oft von starken politischen Kräften in Deutschland wie auch Frankreich blockiert werden. Gerade nach den aktuellen politischen Veränderungen in Frankreich ist in Zukunft ein Rückfall der französischen Agrarpolitik in alte Strukturen nicht ausgeschlossen.
Die Studie ist im Rahmen eines gemeinsamen vom Umweltbundesamt unterstützten Projektes von Euronatur und AbL entstanden, das zum Ziel hat, die Arbeit der Umweltverbände und von landwirtschaftlichen Organisationen zur EU-Agrarpolitik und deren Reform zu koordinieren. Als Ergebnis haben 13 Verbände im Oktober 2001 ihre gemeinsame Position ‚Auf dem Weg zu einer neuen Agrarpolitik in der EU‘ vorgelegt.
Die Frankreich-Studie mit dem Titel ‚Umsetzung der Agenda 2000 in Frankreich. Landwirtschaft, Agrarpolitik und die Umsetzung der Berliner Beschlüsse zur Agenda 2000 in Frankreich‘ (28 Seiten) wurde im Auftrag der Verbände von Dr. Andrea Fink-Keßler vom Kasseler Büro für Agrar- und Regionalentwicklung erstellt. Sie ist, ebenso wie das o.g. Positionspapier der Verbände, im Internet bei Euronatur oder per E-Mail bei %url3%AbL%/% oder %url4%Euronatur%/% zu bestellen.
Information: Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur), Grabenstraße 23, 53359 Rheinbach/Bonn, Tel.: 02226-2045, Fax: 02226-17100, %url5%E-Mail%/%; AbL, Ulrich Jasper, Bahnhofstrasse. 31, 59065 Hamm, Tel.: 02381-9053171, Fax: 02381-49222, %url6%E-Mail%/%.
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