06. Juli 2001

Sonnleitner: Agrarpolitik ist voller Widersprüche

Themen: Archiv — info @ 16:07

Kundgebung des Deutschen Bauerntages in Münster

Münster (agrar.de) – Nur eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft kann auch ihre Aufgaben für die Umwelt und die Erhaltung von Arbeitsplätzen erfüllen. Statt diese Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, stellt sich die Agrarpolitik aus Berlin und Brüssel aber voller Widersprüche dar. Dies ist die zentrale Kritik der Bauern an der Bundesregierung, die der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, bei der Bauerntags-Kundgebung im westfälischen Münster äußerte.

In seiner Rede vor über 5.000 Bauern verwahrte sich der DBV-Präsident gegen Äußerungen von Bundesministerin Renate Künast, die Bauern würden für ‚Überschüsse, Tierquälerei und Raubbau‘ bezahlt. In Wahrheit würden die Verbraucher durch die niedrigen Nahrungsmittelpreise seit Jahrzehnten subventioniert, diese seien die Inflationsbremse Nr. 1. Vom Agraretat würden zwei Drittel in der Agrarsozialpolitik eingesetzt. Von den massiven Preissenkungen infolge der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik sei den Bauern nur knapp die Hälfte ausgeglichen worden. Die Bauern seien wütend, weil die Politik große Klasse sei im Produzieren von Schlagzeilen, im Hochtreiben von Kosten und im Anbieten von Scheinlösungen.

Der DBV-Präsident bekräftigte, dass die Bauern zum gesundheitlichen Verbraucherschutz stehen und am Aufbau einer ‚gläsernen Produktion‘ arbeiten. Er erinnerte an eine Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, in der Landwirtschaft künftig von der Ladentheke aus zu denken. Dumm sei nur, dass bei Aldi und anderen Lebensmittelketten, die die Preise diktierten, schon lange keine Theken mehr stehen. Und wie freudig die Verbraucher höhere Preise zahlen, sehe man an den Reaktionen der Öffentlichkeit auf jüngste Steigerungen der Inflationsrate. Der DBV-Präsident forderte Frau Künast auf, eine konstruktive Diskussion über die Agrarpolitik und die Zukunft der Landwirtschaft zu führen. Dabei sei aber klar, dass jede Agrarpolitik, die sich gegen die Bauern richte, scheitern werde. Gesundheitsschutz sei unteilbar und müsse auch für Importprodukte gelten. Der Staat dürfe keine Produktionsform einseitig bevorzugen oder benachteiligen. Die Bauern hätten die alten Grabenkämpfe zwischen ‚öko‘ und ’nicht-öko‘ schon längst eingestellt.

In Deutschland und Europa würden den Bauern immer höhere Auflagen aufgedrückt, während sie gleichzeitig mit immer mehr Importen aus Drittländern konkurrieren müssten, bei denen Gesundheitsschutz, Schutz der Umwelt und der Tiere keine große Rolle spielten. Sonnleitner: ‚Und die deutsche Politik packt dann immer noch einen obendrauf‘. Als Beispiele nannte der DBV-Präsident die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Agrarstruktur. Sie werde mit Maßnahmen überfrachtet, die mit der eigentlichen Zielsetzung der Agrarstrukturverbesserung nichts mehr zu tun hätten. Gleiches gelte für die beabsichtigte massive und einseitige Förderung des ökologischen Landbaus oder für die nationale Verschärfung der Hennenhaltungs-Verordnung weit über die entsprechenden EU-Regeln hinaus.

Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung werde nicht 1:1 auf Deutschland übertragen, sondern maßlos verschärft; in der Pflanzenschutz-Zulassung werde eine Extratour gefahren. Das neue Bundesnaturschutzgesetz stelle ökologische Zielsetzungen weit über die Bedürfnisse der Menschen im ländlichen Raum und wolle einen Ausschließlichkeitsanspruch durchpauken.

Auch im Naturschutz gehe es nur mit den Bauern. 30 Prozent der gesamten deutschen Agrarfläche sei schon heute freiwillig in Agrarumweltprogrammen verankert. Naturschutz funktioniere am besten als Vertragsnaturschutz und nur mit früher und voller Beteiligung der Eigentümer. Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes ziele auf das genaue Gegenteil hin. Der Vertragsnaturschutz werde ‚abgemeiert‘ und die Verpflichtung der Bundesländer zur finanziellen Entschädigung werde gestrichen.

Sonnleitner bekräftigte, die Bauern wollten auf dem Land wirtschaften und leben, die jungen Landwirte forderten zu Recht Perspektiven. Die Bauern, ihre Familien und der Berufsstand seien bereit zum Dialog mit Gesellschaft und Politik. ‚Wir haben keinen Grund, uns zu verstecken, sondern allen Grund, an uns zu glauben, auf unsere Kräfte zu setzen.‘




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