21. Mai 2001

VUP: Irreführendes Prüfsiegel nicht im Sinne des Verbraucherschutzes

Themen: Archiv — info @ 16:05

Gießen (agrar.de) – Als clevere Idee zur Kundenwerbung des privatwirtschaftlichen Unternehmens TÜV-Süddeutschland aber mit dem Resultat das auch eine erhebliche Irreführung des Verbrauchers herbeiführen kann, bewertet Sven Deeg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbandes Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP) die Absicht, zukünftig ein Prüfzeichen ‚Lebensmittel TÜV geprüft‘ zu vergeben. (unsere Meldung)

Das bisher mit Kompetenz im technischen Bereich hervorgetretene privatwirtschaftliche Unternehmen TÜV suche jetzt auch im Markt der Lebensmittelüberwachung Fuß zu fassen. So präsentiere sich der TÜV Süddeutschland seit neuestem gemeinsam mit der TU München mit dem Unternehmen vitacert als ’neutrale Überwachungsstelle, die nach sichtbaren und sachkundigen Kontrollen für Klarheit und Transparenz in den Lebensmittelregalen sorgt‘. Das dafür entwickelte Prüfzeichen erhalte nur, was die Prüfkriterien erfülle.

‚Welche Prüfkriterien? Von wem definiert?‘ fragt sich Ulrich Kutscher, stellvertretender Vorsitzender des Bundesfachausschusses ‚Lebensmittel und Bedarfsgegenstände‘ des VUP, dem rund 75 Prozent der in Deutschland niedergelassenen, akkreditierten bzw. staatlich anerkannten privaten Lebensmittellaboratorien angehören. Das Vorhaben des TÜV Süddeutschland beziehe sich im wesentlichen auf Maßnahmen die längst gemäß Lebensmittelhygieneverordnung, EU Zertifizierungen und DIN ISO 9000 ff Inhalte geregelt seien. Die Rückverfolgbarkeit von Rindfleisch sei z.B. über das Rindfleischetikettierungsgesetz gegeben. In Deutschland sei bereits jedes Stück Rindfleisch mit Geburt-, Mast-, Schlacht- und Zerlegeort zu kennzeichnen. Die Kontrollen dafür können akkreditierten Kontrollstellen übertragen werden. Genetische Identifizierungen seien dafür nicht notwendig.

Die Ansetzung eines weiteren administrativen Elements könne daher nur als Marketing des TÜV interpretiert werden und bedeuten für den Verbraucherschutz einen Rückschritt. Insgesamt zeige sich der TÜV hier als Trittbrettfahrer, der bestehende Verbraucherängste unnötig verstärke, um damit – ohne nachgewiesene Kompetenz in der Sache – kräftig abzukassieren, so das Echo bei den akkreditierten Lebensmittellaboratorien.

Entscheidend sei, welche Prüfungen nach wessen Vorgaben sachkundig, kompetent, qualitätsgerecht und mit der gebotenen Unabhängigkeit durchgeführt würden, kommentiert Kutscher die TÜV-Aktion kritisch. Zu den Prüfverfahren, vor allem aber auch zum Qualitätsmanagement und zur Kompetenz der eingebundenen Untersuchungslaboratorien ließen die bisherigen Darstellung des bayerischen Technikerunternehmens in Pressemitteilungen und im Internet konkrete Aussagen vermissen.

‚Vitacert untersucht im Auftrag des Herstellers, der für diese Leistungen bezahlt‘, so Dr. Jochen P. Zoller, Geschäftsführer der vitacert auf Anfragen des VUP. Ein Produzent der ein Lebensmittel zertifizieren wolle, gebe dem TÜV die zu überprüfenden Eigenschaften entsprechend seiner Qualitäts-aussagen vor. Der TÜV entwickle daraufhin für die Produktgruppe ein Lasten- und Pflichtenheft, das die Grundlage der Prüfung bildet. Daher könne man zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine konkrete Angaben zu den Prüfverfahren erwarten, ergänzt und bestätigt der TÜV.

Die Kriterien des Gütesiegels werden von Auftragslaboratorien des TÜV nach dessen Vorgaben überprüft ‚um vorhandene Produktionsketten nicht zu unterbrechen‘. Bei diesen Laboratorien stelle der TÜV nach eigenen Angaben jedoch keine Bedingungen an ein nach internationalen Normen akkreditiertes Qualitätsmanagement, wie es in der Lebensmittelkontrolle üblich und in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschrieben ist, musste der VUP erfahren. Der TÜV Süddeutschland selbst sowie sein Partner, die TU München, besitzen hier bisher weder in den gesetzlich geregelten noch anderen Bereichen eine offizielle Akkreditierung als Lebensmittelkontrolleure. Dieses lässt in der Branche der Prüflaboratorien die Kompetenz des Münchener Überwachungsvereins in erheblichem Maße als fragwürdig erscheinen.

Es sei nach Auffassung des Prüflaborverbandes aber gerade die Stärke der akkreditierten Lebensmittellaboratorien, aus den Tagesergebnissen heraus zu reagieren und damit Waren nach der Produktion zu beurteilen bevor sie gegessen werden. Dahinter stünden langwierige und aufgesetzte Kontrollsysteme, wie das hier vom TÜV geplante, weit zurück.




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