22. Juni 2000

Bundesregierung schlägt Moratorium für „Grüne Gentechnik“ vor

Themen: Archiv — info @ 12:06

Berlin (agrar.de) – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will die Industrie offenbar dazu bewegen, vorerst auf den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verzichten. Im Gegenzug will die Regierung die Biotechnologie-Firmen später bei der Markteinführung neuer Produkte unterstützen. Erste Überlegungen für den von der Regierung angestrebten Gentechnik-Konsens mit der Wirtschaft seien bereits abgeschlossen, sagte Schröder bei der Eröffnung des Expo-Projekts ‚Faszination Pflanzenzüchtung‘ der KWS SAAT AG in Einbeck am Mittwoch.

Die Regierung schlägt der Industrie vor, bis 2003 auf eine wirtschaftliche Nutzung der grünen Gentechnologie zu verzichten. Gleichzeitig sollen im Rahmen eines Forschungs- und Beobachtungsprogramms die Umweltauswirkungen der kommerziellen Verwendung und des großflächigen Anbaus der Genpflanzen ermittelt werden. Für die Wartezeit von drei Jahren bietet Schröder laut Meldungen von ‚dpa‘ und ‚Reuters‘ Rechtssicherheit und kalkulierbare Genehmigungsverfahren. Auch sollen die Zuständigkeiten vereinfacht werden.

Die Menschen stünden der Gentechnik eher skeptisch gegenüber, sagte Schröder. Die Pflanzenzuchtbetriebe könnten für die neuen Methoden aber ’nur dann Normalität beanspruchen, wenn die Verbraucher die aus gentechnisch veränderten Pflanzen erzeugten Produkte akzeptieren‘. Dafür müsse mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, und zwar von allen Beteiligten.

Nach Ansicht des Bundeskanzlers ist die Gentechnik eine Schlüsseltechnologie, von der eine ähnliche Wachstumsdynamik ausgehen wie von den Informationstechnologien ausgehen könne. Die bereits erkennbare positive Entwicklung beschränke sich aber noch auf den medizinisch-pharmazeutischen Bereich. Jetzt müsse diese Dynamik auch auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung angestoßen werden.

Die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) begrüßte das Angebot der Regierung, erwartet aber weitere Zugeständnisse. ‚Ein Moratorium kommt für uns nicht in Frage‘, sagte DIB-Geschäftsführer Gerd Romanowski der ‚Berliner Zeitung‘. Die Industrie sei bereit, einen ’schrittweisen und behutsamen Ausbau der Anbauflächen‘ zu versichern. Im Gegenzug solle sich die Regierung für einheitliche Rahmenbedingungen in Europa einsetzen. Faktisch herrscht auf EU-Ebene ein Moratorium für Genehmigungen zur praktischen Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen.

Die GRÜNEN begrüssen und unterstützen die Initiative der Bundesregierung, eine Vereinbarung mit den Gentechnikunternehmen zu treffen. Die agrar- und verbraucherpolitische Sprecherin Ulrike Höfken befürwortet in einer Presseerklärung ein freiwilliges Anbaumoratorium und die Auflage eines gemeinsamen, breit angelegten Forschungs- und Beobachtungsprogramms über drei Jahre.

‚Die Einführung – oder Ablehnung – dieser umstrittenen Technologie, die viele ethische, ökologische, soziale und gesundheitliche Fragen aufwirft, kann nur auf Grundlage einer breiten gesellschaftlichen Debatte erfolgen‘, so Höfken. Ein Forschungs- und Beobachtungsprogramm über die Umweltauswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen sei der richtige Ansatz, eine allgemein anerkannte Grundlage für eine Diskussion auf gleicher Augenhöhe und einem gleichen Informationsstand herzustellen.




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